Virtueller Windkanal

Diskussion: Parametrisierung der Turbulenz

Nach eingehendem Studium der Literatur, die im Internet verfügbar ist, frage ich mich, ob sich die verschiedenen Versuche, gute Parametrisierungen für Turbulenz zu entwickeln, immer zum Ziel führen. Tatsache ist, dass es für verschiedene Anwendungszwecke unterschiedliche Ansätze gibt. Daraus darf man schließen, dass jede der Parametrisierungen erhebliche Schwächen hat. In einer solchen Situation habe ich von meinem ehemaligen Chef gelernt, sich zuerst zu fragen, wie es mit den physikalischen Prinzipien aussieht, z.B. der Energieerhaltung. Bevor ich zu diesem Thema komme, fange ich jetzt ganz einfach an.

1)Die Umwandlungsvorschrift erlaubt es mir, ein K-ε- in ein mathematisch identisches K-L-Modell umzuwandeln, uzw. durch die zeitliche Ableitung von ε und Auflösung nach der Längenskala L. Daraus ergeben sich dann auch die Tuning-Variablen c_0 bis c_4 für die Standard- bzw. c_0 bis c_6 für die RNG-Variante, die ich inzwischen favorisiere.

2) Die nächste Änderung basiert auf der Aufteilung der kinetischen Energieen. Ohne jetzt auf die Geschichte dieser Idee einzugehen zerlege ich wie bei einem spektral formulierten Modell die Felder in orthogonale Moden. Hier wird die Turbulenz aufgeteilt in Rotationen um die Längs-, Quer- und Hochachse. Das hat exemplarisch den Vorteil, dass nur die Anteile zu einem Impulstransport zu einer Oberfläche führen, die einen bzgl. der Oberfläche senkrechten Anteil besitzen. Beispiel: Eine Tragfläche produziert überwiegend eine Rotation der Turbulenz um die Querachse, also in der xz-Ebene. Trifft diese Turbulenz auf ein Seitenleitwerk, so trägt es nicht zur Grenzschichtbildung bei, weil die Rotationsebene parallel zur Oberfläche verläuft. Die Anteile in der yz- und xy-Ebene, also um die Längs- und Hochachse tragen dagegen zur Grenzschichtbildung bei. In der Konsequenz entfällt je ein Anteil von K=Kxy+Kxz+Kyz in der Berechnung der Diffusionskoeffizienten für die x-, y- und z-Richtung - siehe Definition der Parameter.

3) Bei verbesserten Versionen des Typs K-ε, K-L bzw. K-KL findet man bei der Berechnung der Diffusionskoeffizienten für das CFD-Modell ein σ_K und σ_ε im Nenner. Die Werte variieren erheblich zwischen den Publikationen. In einer solchen Situation vertraue ich ausschließlich den Werten, die aus professionellen Modellen stammen. Warum? Professionelle Modelle werden von vielen Anwendern genutzt und falls die Ergebnisse wenig erfreulich sind, wird die Software entsprechend verbessert, bis ein allgemein befriedigendes Ergebnis erzielt wird. So bin ich neben "cfd-online" über die Software "autodesk" gestolpert, die für σ_K und σ_ε zumindest für die RNG-Variante den Wert 0,7179 vorschlägt. 1/sqrt(2) wäre 0,7071. Wenn man jetzt berücksichtigt, dass 0.5*v2 = K bzw. v = sqrt(2*K) ist, dann folgt daraus, dass σ_K bzw. σ_ε = 0,7071 sein müßte. D.h., die Diffusionskoeffizienten sind proportional zu sqrt(2*K). Nebeneffekt: Die Parameter σ_K und σ_ε entfallen. Das entspricht meiner Philosophie, die Anzahl der unbekannten Parameter zu minimieren. Darüberhinaus wird für K wie unter Parameter beschrieben nicht die Summe aus den 3 Komponenten Kxy, Kxz und Kyz für die Berechnung der Diffusionskoeffizienten in x-, y- und z-Richtung verwendet, sondern nur je 2 Komponenten. Damit erklärt sich eventuell die Differenz zwischen 0,7179 und meinem 0.7071 für σ_K und σ_ε.

4) Thema Energieerhaltung bzgl. Produktion und Dissipation: Die standardmäßig verwendete Parametrisierung der Produktion von TKE behauptet u.a. auch, dass Energie erzeugt werden kann, ohne dass mittlere, kinetische Energie (Geschwindigkeit gleich Null) als Quelle vorhanden ist. Folgende Abschätzung zeigt, dass der Term für die Energiebilanz relevant ist, der vquer als Faktor enthält. Eine weitere Entwicklerweisheit besagt, dass es Argumente gibt, die zwar qualitativ korrekt aber quantitativ irrelevant sind. Den echten Experten erkennt man daran, dass mit Zahlen hinterlegt qualitativ korrekte Argumente doch als irrelevant enttarnt werden. Also spricht ein erstes Argument dafür, dass nicht sqrt(K) sondern sqrt(vquer*sqrt(K)) als Faktor im Produktionsterm zu finden sein muss - die physikalischen Dimensionen des Produktionsterms sind dann in Summe immer noch passend. Damit löst man nebenbei ein erhebliches Problem: Im Grenzübergang von vquer gegen Null strebt auch die Produktion gegen Null. Auffallend ist auch, dass Publikationen sich ausschweigen zum Thema, wo denn die turbulente, kinetische Energie bleibt wenn sie dissipiert wird. Ich habe zu diesem Thema nichts im Netz gefunden. Es stehen in diesem Gleichungssystem nur 2 mögliche Senken zur Verfügung: Die mittlere kinetische und thermische Energie. Potentielle Energie entfällt als Kandidat, weil ich üblicherweise mit neutral geschichteter Luft rechne. Dann kam mir das S-Schlag-Profil HS117 in die Quere und hatte anfänglich erhebliche Probleme, bei kleinen Anstellwinkeln die Strömung auf der Oberseite bis zum S-Schlag zu halten, genauer eine Ablösung der Strömung zu verhindern. Nur dann hatte der S-Schlag seine Wirkung und war in der Lage, in Summe einen sinnvollen Drehmomentbeiwert sicherzustellen. Nachdem bekannt sein sollte, dass Turbulenz auch eine mittlere Strömung erzeugen kann - dies lässt sich mit einer Impulstransportgleichung, die spektral gelöst wird, sofort nachweisen - habe ich mit großem Erfolg versucht, die dissipierte, turbulente kinetische Energie  in einen mittleren Impuls umzuwandeln. Obwohl die Beschleunigungen von manchen als irrelevant weil vernachlässigbar winzig angesehen werden könnte, hat sich das Simulationsergebnis doch erheblich verbessert. Das Ergebnis sei in folgendem Dokument für die Energieerhaltung festgehalten, wobei ich das hochgradig interessante Tuning-Ergebnis für c_7 und c_8 noch nicht kommentieren will.

5) Dass diese zentrale Änderung an der Standardformel durchaus gerechtfertigt ist, bewies ein Ausflug an den sog. Innspitz bei Rosenheim. An diesem Tag lieferte der Inn wie fast üblich im Sommer einen hohen Wasserstand mit ebenfalls hoher Strömungsgeschwindigkeit, während die Mangfall wegen schwacher Strömung zurückgestaut wurde. Die beiden Wassermassen lassen sich dann farblich sehr gut unterscheiden. Ich habe die Kamera dann auf den Grenzbereich ausgerichtet und das Turbulenzverhalten unterhalb des Innspitzes aufgezeichnet. Zumindest für mich ist klar ersichtlich, dass die Turbulenz primär nicht dort erzeugt wird, wo die Geschwindigkeitsunterschiede maximal sondern zu höheren Strömungsgeschwindigkeiten hin versetzt sind. Also ist für mich die Korrelation sqrt(vquer*sqrt(K)) als Faktor für die Erzeugung von TKE gemäß der Abschätzung entscheidend.

6) Dann fällt noch etwas auf: Publikationen schweigen sich oft aus über den CFD-Code oder genauer die verwendete Auflösung. Problem: Die Produktion von TKE hängt stark von Gradienten der Geschwindigkeit ab. Typische Werte nehmen zu je höher die Auflösung ist. Erst wenn die Auflösung so hoch ist wie bei meinen Experimenten für das Profil Eppler 374 von ca. 25 µm beginnt sich bedingt durch die Viskosität die Luft wie Honig zu verhalten. Dann erreichen die Produktionsterme für TKE eine Sättigung und die zu optimierenden Parameter für die Turbulenzschliessung beginnen sich zu stabilisieren. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass gefundene optimale Parameter von vielen Faktoren abhängen und deshalb unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Ansätzen ein gegebenes Anwendungsbeispiel abzudecken versuchen. D.h. aber auch, dass viele Ansätze und Parameter nicht beliebig auf andere Anwendungsbeispiele übertragbar sind.

In Summe ergeben sich die unter Technik dokumentierten Gleichungen.